UCI und FIM rangeln um das E-Bike

Der Bestechungsskandal um den Ex-DFB Präsidenten Grindel ist noch nicht aus den Schlagzeilen, da geht es an anderer Stelle schon wieder um Macht und Einfluss von Sportverbänden. Diesmal steht die sogenannte „Sporthoheit“ in der demnächst wohl boomenden Offroad-Disziplin E-MTB Racing im Rampenlicht. Streithähne sind die beiden Weltverbände UCI (Fahrrad) und FIM (Motorrad). Jede Partei will Claims abstecken und beansprucht für sich eigene Hoheitsrechte über das rasant wachsende Sport-Segment.

Der Radweltverband UCI sieht sich schon seit letztem Jahr als alleine zuständig. Für den August 2019 hat er die Premiere der "UCI E-Mountain Bike World Championships" angekündigt, ausgetragen im Rahmen der MTB-WM im kanadischen Mount Saint Anne. Darüber hinaus gibt es im UCI-Kalender 2019 eine WES E-Bike-Serie, und für 2020 ist ein Weltcup in Vorbereitung.

Aber der Motorradweltverband, die FIM (Fédération Internationale de Motocyclisme), ist ebenfalls gewillt, Pflöcke in diesem Segment einzurammen. Ende März verkündete der Promoter der MXGP, also er Motocross Weltmeisterschaft nun das Debüt des "FIM E-XBike World Cup". Sogar FIM-Präsident Jorge Viegas war bei der Präsentation der neuen Renndisziplin zugegen. Für die FIM scheint klar: „E-MTBs haben einen Motor, also machen wir das.“

"Ich bin sehr glücklich, dass die FIM nun Wettbewerbe für elektrische Räder startet", sagte Viegas am Rande eines MXGP-Laufs in Holland. "Der erste FIM E-XBike World Cup wird einer neuen Generation von Fahrern die Möglichkeit geben, an diesen aufregenden Rennen teilzunehmen. Für die FIM wiederholt sich hier Geschichte, denn die ersten Motorräder hatten schließlich einen Fahrradrahmen.“

Wenige Tage nach dieser Ankündigung veröffentlichte dann die UCI, also der Radweltverband, ein Statement, das wiederum die eigene Vorherrschaft in diesem Segment unterstreicht. Die UCI hatte schon letztes Jahr in ihre Statuten aufgenommen, dass ein E-MTB im Wettbewerb maximal 250 Watt leisten und der Motor bis 25 km/h unterstützen darf. Nach geltendem EU-Recht handelt es sich innerhalb dieser Grenzen um Fahrräder. Also sieht man sich im (Hoheits-)Recht. Entsprechend konkurrierende Veranstaltungen der FIM sollen demnach „geächtet“ werden. Inhaber einer UCI-Lizenz müssen demnach sogar mit Konsequenzen und Sperren rechnen, sollten sie an FIM E-Bike-Rennen trotzdem teilnehmen.

Soweit die internationalen Streithähne. Hier geht’s natürlich um Macht, Einfluss und letztlich um Geld. Und irgendwie reiht sich der Streit dem Wesen nach nahtlos in die Verbandsskandale der jüngeren Vergangenheit ein, sei es die Blatter-Affäre der FIFA oder die Doping-Skandale im Radsport, der Leichtathletik und jüngst auch im Wintersport sowie die vielen kleinen Nettigkeiten der Herren (und Damen) Funktionäre, die sich Ausflüge auf die Malediven oder anderweitig etwas Gutes gönnen. Den „sauberen Sport“, der von den Verbänden im IOC immer wieder verkündet wird, den gibt es sicher deutlich mehr, als „sauberes Verbandsmanagement“. Und wenn es um neue Jagdgründe und Geschäfte geht, dann hackt die eine Krähe der anderen eben durchaus auch einmal ein Auge aus.

In Deutschland wiederum scheren sich die beiden nationalen Verbände DMSB (Motorrad) und BDR (Fahrrad) wenig um die Vorgaben Ihrer jeweiligen Dachverbände. In einer gemeinsamen Verlautbarung haben Sie komplett anderslautende „Hoheitsansprüche“ für diesen Sport veröffentlicht. Demnach sollen E-MTB Sportveranstaltungen mit Fahrzeugen bis 25km/h unter dem Dach des BDR angesiedelt werden, während für Events mit Fahrrädern über 25km/h der DMSB zuständig sein will.
Während sich also die Weltverbände mehr oder weniger in der Wolle haben, ihre nationalen Ableger sogar eigene Baustellen aufmachen, bleiben die eigentlichen Akteure, nämlich die E-MTB Sportler auf der Strecke. Denn sie sind nun extrem verunsichert, wo sie starten dürfen oder wo nicht, bzw. wer wen bestraft bei einer Teilnahme an einem anderen Rennen. Die Lage ist verworren.

 

Rechtslage stärkt verbandsfreie Veranstaltungen

Dabei missachten offenbar alle Verbandsvertreter einen sehr wichtigen Aspekt: Die EU Wettbewerbshüter haben in den vergangenen Jahren einen sehr kritischen Blick auf das europäische Verbandswesen im Allgemeinen geworfen. Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit hat sich die Rechtslage eindeutig zugunsten des „verbandsfreien“ Sports geändert. Und das steht dem übergroßen Selbstbewusstsein so mancher Verbandsvertreter knallhart entgegen.

So kann sich ein Verband, bzw. dessen Vertreter, sogar strafbar machen, der einem Sportler die Teilnahme an einer Veranstaltung außerhalb seiner Einflusssphäre verbieten will und dies möglicherweise sogar sanktioniert – so wie die UCI das verkündet hat. Nicht nur der Sportler kann nach solch einer Sanktionierung einen Anspruch auf Schadenersatz haben, auch die „Konkurrenz“-Veranstaltung, und zwar nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens.

Die EU-Kommission und auch der EuGh (Europäischer Gerichtshof) haben dazu konkrete, glasklare Urteile gesprochen, zuletzt erst im Dezember 2017 gegen die ISU (Internationale Eislaufunion), die einem Sportler die Teilnahme an Wettkämpfen außerhalb des Verbandes verboten hatte. Die Rüge der Europäischen Kommission war eindeutig und sogar mit einer Strafandrohung bewehrt. Dem Politikmagazin „Der Spiegel“ war der Vorgang eine Reportage wert unter dem Titel „EU-Kommission kippt Verbandsmonopol“. Andere reichweitenstarke Medien warten hier sicher nur auf eine Steilvorlage.

In der Begründung der Kommission waren die Bewertungen absolut unmissverständlich. So habe der Verband das Verbot nur ausgesprochen, um die „eigenen geschäftlichen Interessen zu schützen und andere daran zu hindern, eigene Veranstaltungen zu organisieren.“ So das Zitat EU-Kommissarin Margrethe Vestager. Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis sich der eine oder andere Verband im EU-Musterland Deutschland mit einer entsprechenden Klage oder Anzeige konfrontiert sieht.

Im Falle E-MTB liegt die Sache ähnlich, allerdings ist dort die Tatsache die, dass der E-MTB-Sport bereits von einer ganzen Reihe von anderen Handelnden zum Leben erweckt worden ist, als die „Verbände“ noch den Schlaf der Selbstgerechten schliefen. Und es gibt sogar bereits eine offizielle Deutsche E-Bike Meisterschaft (www.ebike-dm.de), die bislang weder mit dem BDR noch dem DMSB etwas am Hut hat und trotzdem von den Sportlern und der Industrie anerkannt ist.

Ob sich die Verbände dieser Konkurrenz stellen oder ob vielleicht sogar der Ausrichter dieser Meisterschaft die deutsche „Sporthoheit“ für sich beansprucht, wird sich zeigen. Schließlich geht es hier um eine neue Sportart, die – wie das FIM/UCI-Hickhack beweist – bislang vollkommen verbandsfrei agiert.

Fest steht schon jetzt: Mit dem altbekannten Verbandsverständnis, mit dem man glaubte mit willkürlich erlassenen Regularien Sportlern und Veranstaltern ihren Sport verbieten zu können, wird der Konflikt kaum zu lösen sein. Es gibt bereits seit längerem einige Veranstalter im Offroad-Zweirad-Bereich mit und ohne Motor, die sich nicht mehr um die „Verbände“ kümmern und dabei seriöse, sichere und vor allem sportlerorientierte Veranstaltungsserien anbieten. Nur nebenbei bemerkt: Im gesamten deutschsprachigen Raum sind das die größten, d.h. teilnehmerstärksten Serien in diesem Segment und die erfolgreichsten.